Alessandro Gasbarri
  • Druckfehler. Von den gefälligen Fehlern des Alessandro Gasbarri.

    Druckfehler. Von den gefälligen Fehlern des Alessandro Gasbarri.

Alessandro Gasbarri beginnt erneut bei der Farbe und dies überrascht mich nicht wenig nach seiner Ausstellung Aufheben, das Überwinden im Bewahren, im letzten Jahr gezeigt in den Scuderie Aldobrandini in Frascati, wo die Hauptfiguren seiner Werke in Vergessenheit geratene Gegenstände waren, wieder zusammengefügt von ihm in einem konzeptuellen Crescendo, dass ihnen einen Sinn zurückgab.

Dass in ihm ein dringendes Bedürfnis nach Malerei bestand, trat zwischen den Zeilen hervor, vor allem in den drei Bildern “Soziale Hypochondrie. Das Gute, das Böse, der Krieg“,  ein Versuch über die bemerkenswerten expressiven Möglichkeiten der in der Medizin benutzten pharmazeutischen Färbmittel.

In diesem neuen Zyklus von 25 kleinformatigen Tafelbildern, rigoros nebeneinandergestellt wie ein Heer disziplinierter Soldaten im Feld längs der Umfassungsmauern der Scuderie di Palazzo Ruspoli in Nemi, bringt Alessandro einen Tanz von Zeichen zur Ansicht, in dem sich jede einzelne Tafel als Variation zum Thema darstellt innerhalb eines auf der Zahl 5 aufbauenden Rhythmus: 5 Arbeiten in 5 verschiedenen Tinten/Farben: Schwarz, Rot, Grün, Violett, Blau.

In der Betitelung der Serie, “Druckfehler” (ital. “refusi”), macht der Künstler eine Anleihe  bei den auch in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen Fachausdrücken der Druckerei und der Verlagsproben: Ein “Druckfehler” ist, technisch gesprochen, ein Kompositionsfehler, bestehend aus einer Verwechslung von Buchstaben und Zeichen:“Qui c’è un refuso: c’è alto invece di atto!” (sinngemäß: „Hier ist ein Druckfehler: hoch anstelle von doch!”, Anm. d. Ü.) Und aus eben diesem Willen zum “Sich Korrigieren” heraus entsteht Gasbarris Impuls zur Wiederholung, in einer Suche nach auch aus Zufall geborener Schönheit, wiederhergestellt durch geglückte Rhythmisierung, durch neue aus der Komposition gewonnene Bewegung: So wie das Theaterpublikum es liebt, nur von dem überrascht zu werden, was es kennt, wie Jean Louis Barrault zu wiederholen gewohnt war, hat Gasbarri freudig gewebt mit seinen Tinten, mit kraftvollem Gestus auf das Papier geschleudert eingedenk des Informellen, eine chromatische Symphonie, welche die Aufmerksamkeit auf sich zieht durch die strenge Genauigkeit und die Zielstrebigkeit ihrer Absicht, doch gleichzeitig dazu imstande, den Betrachter einzubeziehen in eine “glückliche Wiederholung”, wie Massimo Mila über die musikalischen Themen bei Schubert schrieb.

Es ist etwas von orientalischer Sensibilität und Philosophie in dieser seriellen Operation der „Druckfehler“: Der Wille zu einer ästhetischen Erfahrung als Bereitschaft zum Ritus, zum Erfassen der Verschiedenartigkeit  in der Wiederholung des Identischen.  Ein von der japanischen Kultur genutztes Modell für die Sakralisierung des Alltäglichen, das jeder einzelnen Handlung  des Individuums einen symbolischen Wert beimisst und ihn herausnimmt aus dem unterschiedslosen Dahinfließen der Zeit. Dies gilt umso mehr, und Gasbarri hat dies klar begriffen, für den Schöpfer jenes „carmen cum figuris“, jenes Gebets mit Bildern, dass, einer wiederholten Beschwörung gleich, eine Leit-Stimme benötigt: den zelebrierenden Künstler und Ministranten. Wenn sich in unserer westlichen Kultur  das Voranschreiten der Erfahrung, konfiguriert mittels einer Serie von Proben und Fehlern, dank derer wir zu unseren wissenschaftlichen “Wahrheiten” gelangen, dann zeigen uns die “Druckfehler” von Gasbarri, dass der Künstler bei der Suche nach der Schönheit („Bellezza“) die Fehler wie höchste Wahrheiten darbietet. Als Demonstration eines denkerischen Seitenpfads, nicht zurückführbar auf das logische Denken – Entsprechung von Objekt und Konzept – kämpfen die fünfundzwanzig im Feld dieser Ausstellung angetretenen Soldaten für “gefällige Fehler”: Jene von Kant in seiner “Kritik der Urteilskraft” beschriebenen ästhetischen Ideen, die “im freien Spiel von Vorstellung und Intellekt, auch ohne einem vorgegebenen Konzept zu entsprechen, vieles zu denken geben.” 

Marco Nocca
Prof. Akademie der Schönen Künste in Rom